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“Im Gemeindeaufbauausschuss und in der Leitung unseres Kirchenkreises ...habe ich Ihre Gedanken wiederholt eingebracht .....Die Sprache .... macht es für den Neueinsteiger nicht ganz leicht, sich hineinzufinden ....Das könnte auch ein Hinderungsgrund werden, für die Verbreitung Ihrer wichtigen Gedanken .... Pfr.B.R aus der Kirchenprovinz Sachsen am 10.4.2000

 

Vielleicht ist der folgende Text eine Antwort auf diese Frage.

 

Der folgende Text ist veröffentlicht in “lernort gemeinde”  - Zeitschrift für die theologische Praxis - Ev. Zentrum Rissen Heft 2 / 2000  eMail: lernort@blankenese.de

Das Heft enthält eine Fülle von Anregungen über die Gestaltung von Kasualien. Mit der Konzeption von Kirche am Ort praktiziert ergeben sich viele neue Anregungen!

Herbert Lindner

Glauben in der Zeit

Verschränkung von Kasualien und Kirchenjahr

 

Kasualien gliedern den Lebenslauf

 

Kasualien sind gefragt. Aus diesem Grund fließen Fantasie und Energie in ihre praktische Ausgestaltung und in ihre konzeptionelle Weiterentwicklung. Die Ergebnisse sind beachtlich und beeindruckend. Aber: Wirken sie auch nachhaltig und nachdrücklich?

Zweifel sind angebracht. Das Bild der Kirche wird durch diese Verbesserungen bunter, die Anziehungskraft örtlicher Gemeinden steigt punktuell. Aber die Lage bessert sich nicht grundlegend. Eine der Bedingungen für einen solchen nachhaltigen Schritt ist eine konzeptionelle Geschlossenheit.

 

Um diese zu gewinnen, muss der Blick zunächst in die Weite gehen und zu verstehen suchen, wo die Ursache für die Anziehungskraft der gefragten Angebote liegen. Diese selbst sind rasch zu bestimmen. Die Zahlen der Teilnehmenden und die Wertschätzung zeigen ein eindeutiges Bild: Gesucht sind die Amtshandlungen und die Festgottesdienste im Jahreskreis. Wenn Kinder einbezogen sind, wie bei Familiengottesdiensten und Kinderbibelwochen, sind die Zahlen besonders hoch.

 

Diese Angebote haben eine Gemeinsamkeit: sie sind an Übergängen der persönlichen, familiären oder kollektiven Biografie angesiedelt. Im Verständnis solcher Übergänge liegt demnach der Schlüssel. Ein Übergang hat in seiner Offenheit einen krisenhaften Anteil. Er macht Angst, er öffnet aber auch Neues und fragt nach Begleitung. Das haltgebende Ritual und die sinnstiftende Deutung treffen auf aufnahmebereite Menschen. An den Lebensübergängen entsteht die Frage nach dem Glauben.

 

Vor herausragender Bedeutung ist dabei die Tatsache, ob eine Frau Mutter und ob ein Mann Vater ist. Aus dem Status als Vater oder Mutter eines Kindes erwächst die Frage: "Wer bin ich?" Eltern geraten ins Staunen über das Wunder des Lebens. Die Verantwortung für die eigene und die Zukunft der Welt wird geweckt. Erwachsene verorten ihre Gottesbeziehung fast immer in den prägenden und haltgebenden Erfahrungen der Kindheit. Die tiefen existentiellen Erfahrungen des Vater- oder Mutterseins geben die Möglichkeit, die eigene Kindheit erinnernd durchzuarbeiten. Die Eltern-Kind-bezogenen Amtshandlungen von Taufe, Trauung und Konfirmation sind der stabilste Block dieses Bereichs. Das gefragteste Fest des Jahreskreises ist zumindest in Deutschland Weihnachten als das Familienfest. In dem Verhältnis zwischen den Generationen sind Menschen von heute religiösen Beziehungen am nächsten.

 

Die Übergänge werden grundiert durch den sich wiederholenden Rhythmus des menschlichen Lebens auf dieser Erde. Die Abfolge von Tag und Nacht ordnet das Leben, das Jahr ist gegliedert durch die Veränderungen der Jahreszeiten im Zyklus von Saat und Ernte. Auch wenn die Notwendigkeiten der Kontinuität und Effektivität das moderne Wirtschaftsleben prägen, gehört dennoch der Rhythmus von Arbeit und Ruhe, von Tag und Nacht, von Saat und Ernte zu den nicht ignorierbaren Tatsachen unserer Kultur. Hier stellt sich also auch für den modernen Menschen die alte religiöse Frage: "Wie finde ich meinen Rhythmus"?

 

Der Lebenslauf mit seinen Übergängen bedarf der Heimat und muss sie doch immer wieder verlassen. In einem spannungsvollen Weg von Auszug und Heimischwerden, von Verlassen, Wiederfinden und Weitergehen entfaltet sich das Leben. Die eigene Identität muß sich immer wieder neu formen, wenn sich Menschen verbinden und einen neuen Lebensabschnitt beginnen und wenn sie sich trennen, und die Trauer aushalten müssen. Wer das Alte abschließen kann, ist offen für das Neue. Glaube gibt auf diesem Weg Halt und führt weiter.

 

So lässt sich also die Lage verstehen und deuten: Die Mehrheit der Kirchenmitglieder richtet die existentiellen Fragen ihres Lebenslaufs an die evangelischen Kirchen, wenn sie Amtshandlungen wünschen oder Festgottesdienste besuchen. Diese Übergänge haben einen ausdrücklichen Bezug zur Ortsgemeinde. Dies gilt wegen ihrer deutlichen Nähe zu gottesdienstlichen Handlungen und wegen der Bedeutung der Eltern-Kind-Beziehung mit ihrer starken lokalen Komponente.

 

Auch an den Übergängen und Entwicklungsschüben einer Gesellschaft ist Kirche gefragt. Das gilt für die Umwelt der örtlichen Gemeinde und äußert sich dort in der Bitte um kirchliche Beteiligung bei Einweihungen und bei der Einladung zu wichtigen Empfängen. Aber auch nationale Unglücke wie die Eisenbahnkatastrophe von Eschede, kollektive Übergänge wie die deutsche Wiedervereinigung oder das Millenium: alles dies sind Situationen, an dem die Bedeutung und der Kontakt nicht erst von Seiten der Kirche hergestellt und aufwendig begründet werden muss, sondern aktiv gesucht wird.

 

 

Evangelischen Kirchen haben 'Kompetenz in Zeit'

 

Aufgrund ihrer Geschichte und ihrer Botschaft wird evangelischen Kirchen im mitteleuropäischen Kulturkreis offenkundig 'Kompetenz in Zeit' zugeschrieben. Menschen wissen oder ahnen es zumindest, dass durch die Begleitung dieser Übergänge Würde und Wert ihres Lebens gefunden und erhalten werden kann.

 

Konkurrenzlos sind Kirchen auf diesem Feld allerdings schon lange nicht mehr. Der 'Kampf um die Zeit der Menschen' ist in vollem Gang. Wer Macht über die Zeit besitzt, ist einflussreich. So bietet es Vorteile für Anbieter und Konsumenten, die Wochenzeit unterschiedslos dem Kaufen und Verkaufen zu öffnen. Die Aufhebung der Ladenschlusszeiten wird gefordert, 'megalange Einkaufssamstage' werden regelrecht zelebriert, eine Sonntagsöffnung der Läden in Gang gebracht. Die Adventszeit wird zum Umsatzbringer des Jahres ausgepresst. Der Jahreskreis lässt sich zum Kaufstimulans erster Ordnung nutzen. Was sich dem sperrt, wird unter Druck gesetzt. Diese Versuche wären nicht so erfolgreich, entsprächen sie nicht auch einem Bedürfnis der Menschen, diese Zeiten zu füllen. Als nur scheinbar gegensätzliche Entwicklung ist bei Einzelnen die Aufhebung der Zeit vor dem Bildschirm zu beobachten, das Vergessen-Wollen seines Lebens durch den Wunsch nach anonymen Bestattungen und Verstreuen der Asche.

 

Christliche Kirchen haben ein wertvolles Erbe und müssen doch konstatieren, dass sie in der gegenwärtigen Situation einfach zu schwach sind, dieses umfassend zur Geltung zu bringen. Ihre politischen Interventionen sind nicht zuletzt deshalb so erfolglos, weil hinter ihnen keine überzeugende Praxis steht. Dadurch wird verdeckt, dass ihre Bemühungen nicht im Eigeninteresse erfolgen. Wert und Würde des Menschen sind in wesentlichem Maße davon bestimmt, ob er oder sie Zeit besitzt, Zeit der Erinnerung, Besinnung und Würdigung.

 

 

Die Begleitung von Lebensübergängen kann die Gemeindearbeit konzentrieren

 

Wenn sich evangelische Kirchen als lebensbegleitende Kirchen und nicht als 'Spezialanbieterinnen' auf dem religiösen Markt verstehen wollen, ist es für sie von entscheidender Wichtigkeit, an die Breite religiöser Grundhaltungen anzuknüpfen und sie mit Hilfe ihrer Kompetenzen zu begleiten. Die Haftpunkte des Glaubens in den Lebensübergängen sind die Ansatzpunkte gemeindlicher Arbeit. Lokale Gemeinden spielen bei einer Konzentration auf die Übergänge des Lebens eine zentrale Rolle.

Dieser Bedeutungskern kann auch aus theologischen Gründen zum Fokus für eine in sich geschlossene Konzeption gemacht werden, denn in der Begleitung des Lebens an seinen Übergängen sind alle zentralen Daten der christlichen Botschaft vermittelbar.

 

Obwohl die Bausteine des Angebots zu den Pflichtaufgaben evangelischer Gemeinden gehören und ohnehin getan werden müssen, ist diese Konzentration bei weitem nicht selbstverständlich. Die Idealvorstellung vieler Pfarrerinnen und Pfarrer geht dahin, zusätzlich zu diesem - zuweilen wenig geliebten Pflichtprogramm - entweder ein reges Gemeindeleben oder ein entscheidungsorientiertes Gruppenchristentum zu fördern oder auch als Erwachsenenbildner oder spezialisiert für bestimmte Milieus eine funktionale Bedeutsamkeit zu erreichen. Diese Mehrfachorientierung fasziniert. Aber auf der Konzeptebene wiederholt sich die Erfahrung des Individuums: alles zu tun ist unmöglich, führt in die Verzettelung und die Überlastung und lässt die Gesamtwirksamkeit sinken. Um diesen Zustand zu überwinden, sind Entscheidungen nötig, die die eigene Begrenztheit akzeptieren und Erwartungen einzelner enttäuschen. Aber ohne ein NEIN kann das JA nicht deutlich gelebt werden.

 

Es gilt deshalb, eine mutige Entscheidung zu treffen und die Lebensübergänge zum bündelnden Perspektivpunkt für alle Angebote der Ortsgemeinde zu machen. Dieser Schritt knüpft an Vorhandenes und Notwendiges an. Dynamik gewinnt er dadurch, dass die Potentiale dieser Konzentration voll ausgeschöpft und die Angebote mit Mitteln 'auf der Höhe der Zeit' praktiziert werden. Fehler der bisherigen Ansätze ist es, die neuen Schritte immer nur halbherzig neben allen anderen zu befolgen, anstelle von diesem Punkt aus konzentriert und reflektiert Kirchenentwicklung zu betreiben.

 

Wenn es versucht wird, dann kann durch die Begleitung der Gemeinde 'Glaube in der Zeit' gelingen. Denn evangelische Gemeinden am Ort haben 'Kompetenz in Zeit', sind kundige Begleitung auf dem Weg des Lebens ihrer Mitglieder. Der Jahreskreis und die Kasualien haben gemeinsame grundlegenden Funktionen der Begleitung von Lebensübergängen. In diesen beiden Angebotskreisen stecken je für sich und erst Recht gemeinsam große Entwicklungspotentiale, die in einer geschlossenen Konzeption fruchtbar gemacht werden können.

Kasualien haben noch unausgeschöpfte Chancen

 

Die Kasualien sind Handlungen an den Schwellen des Lebenslaufs. Sie bringen anthropologisch-existentielle Situationen in den Horizont des Glaubens. So wird in der Taufe am Beginn der Kindheit der Grund für einen Lebensweg gelegt. Die Konfirmation feiert an der Schwelle zum Jugendalter den Schritt in die Selbständigkeit. Die Trauung drückt das erwachsene 'Ja' zu der dauerhaften Gemeinsamkeit aus und in der Beerdigung wird ein Abschied zumeist im Alter begleitet. Diese Bedeutungen lassen sich von ihrem klassischen Hintergrund lösen und auf gleiche oder ähnliche Situationen übertragen. Durch diese Ausdifferenzierung lockert sich die Bindung der Kasualien an die bürgerliche Familientradition und neue Lebensformen oder -stufen kommen in den Blick, wenn z.B. Paare 'nur' zusammenleben, wenn Kinder durch die Veränderung der Familienkonstellation in ein neues Beziehungsfeld aufgenommen werden oder wenn es um Abschiede beim Übergang in ein Pflegeheim geht. Die Konzentration auf den zugrundeliegenden Sinn erlaubt die Begleitung des Lebenslaufs durch die Gewinnung neuer Kasualien. Im weitesten Sinn überträgt und erweitert eine Gemeinde und ihre Mitarbeitenden dadurch ihre klassische Kasual-Kompetenz hin zur integralen Begleitung der Lebensphasen anhand ihrer Schwellen und in der Begleitung grundlegender Entscheidungssituationen.

 

Ortsgemeinden haben einen Beitrag zum Gelingen dieser Stufen. Sie sind der Ort, an dem die großen Fragen des Lebens gestellt und bearbeitet werden können, weil sie in den Horizont Gottes geraten. Gemeinden können anbieten: Mit uns können Menschen zu ihrem Glauben finden, wurzeln und wachsen.

 

Kleine Kinder und ihre Eltern können erfahren, wo der Grund ihres Lebens liegt. Mit Gott können sie ins Leben treten und hineinwachsen in die bedrohte, unsichere Welt. Jugendliche und junge Erwachsene werden ihre Berufung finden. Sie werden Antworten auf die Frage nach dem "Was werde ich tun?" beantworten und klären können, mit wem sie leben werden. Aktive Erwachsene vor der Lebensmitte finden zu ihrem Lebensstil und lernen, die Frage nach dem "Wie will ich es tun?" zu beantworten. Erwachsene nach der Lebensmitte gewinnen spirituelle Tiefe und finden, was sie trägt. Sie lernen, die Stürme zu überstehen und die Frage nach dem "Warum?" zu beantworten. 'Junge Alte' erleben neue Freiheit und bereiten sich vor, den Ertrag anderen weiterzugeben. Alte Menschen sehen die großen Horizonte für sich und lernen zu leben angesichts des Abschieds, weil die Frage nach dem "Wohin?" nicht mehr schreckt.

Entwicklungen gelingen um so besser, wenn Phasen in ihren Stärken gelebt, an ihrem Ende abgeschlossen und bewußt ein neuer Abschnitt begonnen wird. So kann das Alte gewürdigt, in seinen bleibenden Erkenntnissen persönlich angeeignet und gleichzeitig seine zeitbedingten Ausprägungen zurückgelassen werden.

 

Alte und neue Kasualien sind die Angelpunkte von denen aus sich diese Fragen erschließen. Die aufeinander bezogene Abfolge von Vorbereitung, Schwellen überschreitender (Kasual-) Handlung, Nacharbeit und Folgemaßnahmen 'dehnt' den punktuellen Anlass und nützt die Phasen der größten Aufnahmebereitschaft. Segnungsgottesdienste können die haltgebenden Gottesdienste sein, wenn klassische Kasualgottesdienste nicht möglich sind.

 

 

Das Kirchenjahr birgt ungehobene Schätze

 

Das Kirchenjahr ist aus den Christusfesten, dem Naturjahr und Themenfesten zusammengewachsen. In ihm werden die Grundlagen des Glaubens anschaulich. Es erinnert an die fundamentalen Heilstatsachen im Weg Christi und enthält mit den eher dogmatisch geprägten Festen von Erntedank (Schöpfung) und Pfingsten (Heiliger Geist) die wesentlichen Elemente des Glaubens an den dreieinigen Gott. Sein Potential ist die sinnerfüllte Gliederung der Zeit.

 

Das Kirchenjahr wird durch seine mehrdimensionale Auslegungsfähigkeit, seine vielfachen Wurzeln im Existentiellen, im allgemeinen Zeiterleben und im Biografisch-Historischen als 'Jahr der Kirche' zu einem Jahr voller Leben. Es besitzt eine stimmige Abfolge voll innerer Dramatik von der Sehnsucht des Erwartens hin zur Feier der Geburt eines Kindes, vom Bedenken von Leid und Tod hin zur Auferstehung. Diese wiederum bildet den Grund für das kreativ-geisterfüllte Leben im Glauben, das den Dank für das Erreichte einschließt und die 'letzten Dinge' nicht vergißt.

 

Die Komplexität des Kirchenjahrs macht seine Ausdifferenzierung leicht. In ihm gibt es die verschiedensten Handlungsformen: außerordentliche Gottesdienste, Konzerte, Feste, Ereignisse wie den Martinszug oder das Johannisfeuer. In ihm haben sich die verschiedenen ästhetischen Stile ihren Platz erobert: von der 'hochkulturellen' Passion bis hin zum volkstümlichen offenen Singen von Adventsliedern. So wird es den Einzelnen möglich, im gottesdienstlichen und musikalischen Angebot der Kirchen eine sehr persönliche 'Kette der Bedeutsamkeiten' zu entwickeln und zu pflegen. Die Mehrdimensionalität des christlichen Festjahres ist eine Stärke in einer Zeit, die vom Streben nach individueller Wahl geprägt ist. Sie stellt sich allerdings nicht automatisch ein, sondern bedarf der gezielten Unterstützung durch die evangelische Kirche.

Integral lassen sich größere Phasen und Abschnitte zusammenfassen, wenn sie unter ein Thema geraten: die 'Sieben Wochen ohne' der Passionszeit als einer Zeit des freimachenden Verzichts sind ein solcher integrierender Bogen, der 'Adventskalender', der gemeinsam in einem Dorf entsteht, und die Zeit der Erwartung gestaltet, kann ein anderer sein.

 

 

Kasualien und Kirchenjahr fügen ihre Stärken zusammen

 

Das kräftigste Potential steckt allerdings in einer bislang selten systematisch genutzten Möglichkeit zur Verschränkung. Denn hineinverwoben in das Kirchenjahr sind die existentiellen Grundthemen des menschlichen Lebens. Sie sind als exemplarische Abläufe in der Glaubensperspektive erlebbar. Grundsituationen der einzelnen werden in den geprägten Zeiten erinnert, wiederholt, vorweggenommen und so durchgearbeitet oder vorbereitet. In seinen Gedenktagen wird das kurz zurückliegende Ereignis aus der privaten Sphäre herausgehoben und so seine Bewältigung unterstützt. In gemeinschaftlicher Verdichtung werden diese Stufen jedes Jahr durchlaufen, in individueller Zueignung können sie Menschen helfen, ihr Leben zu gestalten.

 

So gestaltet, stützen sich Kasualien und das Kirchenjahr in seinen Festen und mit seinen Gedenktagen gegenseitig. In der Kasualhandlung liegt die soziale Dimension beim Ich, dem persönlichen Umkreis und der dazugehörigen Öffentlichkeit. Hier gilt es den Übergang zu bestehen. Beim Gedenktag wie z.B. am Ende des Kirchenjahres für die Trauernden liegt die soziale Dimension bei den Mit-Betroffenen und der gemeindlichen Öffentlichkeit. Hier geht es um das Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten.

Bei den entsprechenden Festen des Kirchenjahres liegt die soziale Dimension bei der gemeindlichen Öffentlichkeit. Es geht um die Vorbereitung oder grundsätzliche Orientierung.

 

Diese Verbindungslinien mit ihren mehrfachen sozialen Orten und unterschiedlichen Funktionen lassen sich sehr deutlich bei Trauerprozessen (Beerdigung / Gedenktag der Entschlafenen – Ewigkeitssonntag / Karwoche – Ostern) verfolgen. Sie können aber auch für die Taufe (Taufhandlung / Taufgedächtnisfeier / Osternacht) oder die Trauung (Trauung / Gedächtnis der Trauung – schon vor der silbernen Hochzeit / Pfingsten?) entwickelt werden.

 

Gemeindearbeit gewinnt an Wirkung bei gleichzeitiger Entlastung

 

Die Neukonzeptionierung folgt drei also drei Prinzipien:

1. Die beiden Bereiche von Kirchenjahr und Kasualien werden je in sich über die verschiedenen Formen oder Dimensionen gemeindlichen Handelns (und nach den Milieus) ausdifferenziert.

2. Sie werden mit dem Prinzip des 'Integralen' durchkomponiert und thematisch geordnet.

3. Schließlich werden sie miteinander verschränkt.

So entstehen zwei vernetzte Angebotsbausteine: das 'Jahr voller Leben' und die 'Stufen des Lebens'. Zusammen bilden sie das Angebot eines gelingenden 'Glaubens in der Zeit'.

 

Die reichen Möglichkeiten können unmöglich in einer Gemeinde vollständig praktiziert werden. Jede Gemeinde steht vor der Aufgabe, aus ihnen ihr spezifisches Programm des 'Glaubens in der Zeit' zu entwerfen. Im Blick auf die Möglichkeiten der Mitarbeitenden, der Bedürfnisse der Mitglieder gilt es auszuwählen und zu gestalten. Dies ist eine Kompositionsaufgabe einer neuen Dimension.

 

Ein solches konsequent praktiziertes Konzept wird keineswegs in die Enge führen. Wie ein Magnet kann es viele bisher praktizierte Einzelstücke anziehen, ordnen und so in ihrer Wirkung verstärken. Wenn Menschen von diesem Angebot angerührt hilfreich begleitet werden, werden sie auch von sich aus neue Netzwerke knüpfen – wenn sie denn die Gemeinde dabei unterstützt. Alle Berufe und alle Handlungsdimensionen werden dabei in dieser Perspektive ins Spiel kommen können und auch müssen.

 

Ein solches Konzept wird vor allem die örtliche Arbeit deutlich entlasten. Die Gründe liegen in der Schwerpunktbildung, der Wiederholbarkeit, dem Mehrfachnutzen und der Unterstützbarkeit.

  • Schwerpunktbildung. Die Fülle der disparaten Themen und Ereignisse ordnet sich. Die Entscheidungen fallen leichter, was nötig, was möglich, was wünschenswert und was überflüssig ist.
  • Wiederholbarkeit. Eine einmal erarbeitete Lösung wird wiederholbar, weil die Anlässe sich wiederholen. Wiederholbarkeit bedeutet nicht die Duplizierung, sondern die Wiederholung einer Grundlösung mit den nötigen Variationen im Detail.
  • Mehrfachnutzen. Weil die Themen sich gegenseitig stützen, ist die einmal erarbeitete Grundsicht leicht auf ähnliche Situationen übertragbar.
  • Unterstützbarkeit. Die Tätigkeiten 'vor Ort' werden durch zentrale Stellen und durch Kooperation mit anderen Gemeinden in der Region unterstützungsfähig, weil die Gleichartigkeit der Anlässe eine Unterstützung erlaubt, die über die Lösung von Einzelfälle hinausgeht.
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    Eine solche Konzentration auf die Unterstützung des 'Glaubens in der Zeit' erhöht schließlich die Wirkung des gemeindlichen Tuns und kann so einen wichtigen Beitrag in Zeiten knapper Mittel leisten.

  • Es wird erkennbar, weil das Angebot sich in größeren Regionen und über längere Zeit kommunizieren läßt und so mittelfristig Einstellungen prägt.
  • Es prägt sich besser ein.
  • Es hat eine gemeinsame und vernetzte Wirkung: Teil und Ganzes, Einzelmaßnahme und Gesamtansatz stützen sich gegenseitig.
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    Alle Rechte beim Verfasser

     

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