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Solidarität und Innovation

Die Finanzkrise evangelischer Kirchen begleitet uns auch in Bayern seit einiger Zeit. In der Gestalt der Einstellungsliste und eines unvorhergesehenen Haushaltsdefizit ist sie jetzt wieder ein Stück sichtbarer geworden. Durch die Einstellungsliste für Theologinnen und Theologen hat das Problem eine neue symbolische Qualität erreicht, weil zum ersten Mal der "Schlüsselberuf" der Volkskirche grundlegend betroffen ist. Vertrauensverlust und existentielle Krisen beklagen die einen, die Rückkehr aus einer auch innerkirchlich privilegierten Anstellungssituation zur "Normalität" betonen die anderen. Steuerungsversuche stoßen bei Betroffenen auf ein zwiespältiges Echo.

Aber auch wer die Angleichung des Pfarrberufs an die beruflichen Realitäten innerhalb und außerhalb der Kirche nicht von vorneherein als Katastrophe deuten mag, muß sich doch die Frage stellen, wie unnormal diese "Normalität" der verschlossenen Zukunftschancen ist. Das Sozialwort der Kirchen spricht hier eine deutliche Sprache.

Es ist notwendig, daß so viele Vorschläge aus so vielen Lebenssituationen wie möglich gemacht werden. Auch Emotionen müssen zu Wort kommen. Aber angesichts der Größe des Problems kann die Lösung nicht im Abgleich der jetzt auf dem Tisch liegenden Vorschläge im kirchenpolitischen Wettstreit von Überzeugungskraft und Entscheidungsmacht erreicht werden. Betroffenheit und Solidarität reichen nicht aus. Innovation ist nötig. An einigen grundsätzlichen Überlegungen führt deshalb kein Weg vorbei.

Die Finanzmittel der ELKiB reichen nicht aus, um den gegenwärtigen Stand der Arbeit schuldenfrei zu finanzieren. Das in der Nachkriegszeit so wohltätige Finanzierungssystem über die Kirchensteuer (zuzüglich anderer Staatsleistungen) zeigt jetzt seine Schattenseiten. Es ist an die allgemeine Konjunkturlage und an die staatliche Fiskalpolitik gekoppelt. Solange diese Mittel wuchsen, konnte der staatlich gewohnte Verteilungsweg auch kirchlich beschritten werden: durch eine gesetzgeberische Willensbildung "von oben" werden die vorhandenen Mittel einzelnen Verwendern zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt.

Die Einnahmen der ELKiB aus diesem Finanzierungssystem weisen eine sinkende Tendenz auf. Realistischerweise muß damit gerechnet werden, daß jenseits der Jahrtausendwende aus dieser Finanzierungsquelle der ELKiB nur noch etwa 70% der jetzigen Mittel zur Verfügung stehen werden. Die Gründe sind bekannt und müssen hier nicht wiederholt werden.

Im wesentlichen wird im Augenblick versucht, diesen Einnahmerückgang durch Kürzungen aufzufangen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die ELKiB auf diesem Weg aber nicht stabilisierbar. Finanzierungslücken in dieser Höhe durch Kürzungen zu schließen, ohne gleichzeitig mobilisierende Veränderungen in Gang zu setzen, muß zu so deutlichen Kontaktbrüchen gegenüber den Gemeindegliedern und zu so demotivierenden Folgen für Mitarbeitende führen, daß ein auf diese Weise ausgeglichener Etat wahrscheinlich die Weichen für künftige Defizite stellt. Die Kürzungen von heute sind die Einnahmeverluste von morgen. Durch Kürzungen kann man Etats ausgleichen. Aber nur durch überzeugende Arbeit und überzeugte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann sich Kirche stabilisieren.

Weil die Umweltbedingungen für die Institution Kirche fundamental im Wandel sind und ein stabiler Zustand nicht in Sicht ist, kann nur eine grundlegend erneuerte Kirche dem gerecht werden. Solidarität und Zusammenrücken alleine kann die Aufgabe nicht bewältigen, so wenig es ohne diese Tugenden gehen wird.

Finanzen dürfen kirchliche Arbeit nicht diktieren. Das ist richtig. Der Auftrag für die Kirche Jesu steht über den Finanzen. Es geht um eine offene und deutliche Kirche des Evangeliums, die auch in ihrer Gestalt glaubwürdig ist.

Eine solche Kirche kann sich nicht damit zufrieden geben, daß sie sich unter Mühen und Schmerzen den aufgezwungenen Rückgängen anpaßt, sondern sie muß die Kommunikation des Evangeliums aktiv fördern und in ihrer Personalpolitik Zeichen setzen. Ob ihr das gelingt, ist nicht sicher. Willenserklärungen allein genügen nicht. Nur phantasievolle Innovation wird dazu verhelfen, diese anspruchsvollen Ziele zu erreichen.

Für den Personalbereich kann es deshalb nicht genügen, notwendige Kürzungen so schonend wie möglich zu vollziehen. Ein "milder" und - wie man so schön zu sagen pflegt - sozialverträglicher Arbeitsplatzabbau vermeidet größere Konflikte, aber er genügt nicht den Ansprüchen, die Kirche an sich stellen sollte. Einen echten Beitrag zur Lage auf dem Arbeitsmarkt leistet Kirche nur, wenn durch die Mitwirkung an ihrem Auftrag mehr Menschen als bisher ihren Lebensunterhalt verdienen können. Ziel muß also sein, daß die ELKiB mehr Arbeitsplätze entstehen läßt.

Um dieses große Ziel erreichen zu können, müssen zwei Vorbedingungen erfüllt sein. Sie klingen fast banal und sind doch so schwer zu realisieren: es muß eine Gesamtsicht geben und taugliche Instrumente müssen vorhanden sein, die gesetzten Ziel zu erreichen.

Es geht um Entscheidungen für das Ganze. Diese Entscheidungen erfordern einen umfassenden Einigungsprozeß. Keines der drängenden Kirchenprobleme läßt sich isoliert lösen, sondern nur durch stimmige Einordnung in ein durchdachtes Ganzes. Andernfalls ist nicht auszuschließen, daß die kurzfristige Entlastung mittelfristig katastrophale Folgen hat oder bereits heute Schaden anrichtet. Die Gesamtbilanz wird nicht positiver, sondern negativer. Diese Gesamtsicht ist angesichts der Größe und Komplexität der Landeskirche schwierig zu gewinnen, sie ist aber die drängendste Aufgabe, vor der alle kirchenleitenden Organe als einzelne und in ihrem Zusammenwirken stehen. Die Verabschiedung der "Perspektiven und Schwerpunkte" sind ein erster Schritt in diese Richtung. Sie müssen konkret werden. Grundlegende Entscheidungen über die künftige Politik der Landeskirche müssen bald getroffen werden.

Vor allem aber bedarf es der Entwicklung geeigneter Instrumente, um die Zielerreichung zu steuern. Unser empfindlichster Mangel ist nicht der an Ideen und Vorschlägen, sondern der Mangel an zusammenstimmenden Informationen. Wir wissen zu wenig darüber, wie wir wirklich stehen. Wir wissen zu wenig darüber, wie sich geplante Entscheidungen auf die Länge der Zeit finanziell auswirken. Wir wissen auch zu wenig darüber, welche inhaltlichen Folgen Entscheidungen haben werden. So können behauptete, befürchtete oder erwünschte Folgen als Argumente in die Diskussion gebracht werden, die weder heute noch morgen überprüfbar sind. Faktengestütztes kirchenleitendes Handeln ist aufgrund der fehlenden Datenbasis an vielen Punkten nicht möglich. Das gilt für alle Ebenen der Landeskirche. Für die Ortsgemeinden hat das Evangelische München Programm ein System der faktengestützten "Angebotssteuerung" entworfen, zu dem es auf kirchenleitender Ebene bislang noch kein Pendant gibt.

Drei Bereiche, die heute immer noch weitgehend unverbunden nebeneinander stehen, müssen zusammengeführt werden, um diese Kirche wirklich in die Zukunft führen zu können: Personal-, Finanz- und inhaltliche Steuerung müssen ineinandergreifen. Entscheidungen über Stellenpläne alleine reichen nicht aus. Die durch Stellen verursachten Kosten müssen ebenso mitbedacht werden, wie die durch sie erbrachten Leistungen.

Vor jeder Einzelentscheidung muß die Bemühung um diese integrale Steuerungsfähigkeit stehen, weil sonst die Einzelmaßnahme nicht bewertbar ist und ihr wirklicher und langfristiger Beitrag zur Problemlösung nicht erkennbar wird. Auch wenn der Bedarf nach raschen Entscheidungen groß ist, wenn nicht konsequent an dieser Steuerungsfähigkeit weitergearbeitet wird, kann mancher Aufwand umsonst sein.

Diese Grundlagenarbeit ist umfangreich und langwierig. Wir haben ein Finanzproblem. Das kameralistische Haushaltssystem ist aber zur Klärung heutiger und zukünftiger Kosten nur sehr beschränkt tauglich. Bestenfalls wird erkennbar, was an einer Stelle für eine Maßnahme ausgegeben wird. Im Verborgenen bleibt, was einzelne Bereiche kirchlicher Arbeit wirklich kosten. Wirkungsmessung kirchlichen Handelns steht erst am Anfang und ist mit vielen Schwierigkeiten und Vorbehalten verbunden.

Daraus ergeben sich zwei sehr weitreichende Prinzipien für die weitere Entwicklung aller Bereiche der ELKiB:

1. Die Übernahme der Verantwortung für die Wirkungen des eigenen Tuns als dezentrales Steuerungsinstrument

Die materiellen und nicht-materiellen Folgen des eigenen Handelns sind den kirchlichen Akteuren in weiten Teilen nicht bekannt. Damit wird aber ihr Handeln weder durch sie selbst noch durch andere zuverlässig steuerbar. Wenn aber die schwindende (materielle) Basis das Gesamte zu gefährden droht, muß es ein existentielles Interesse geben, diese Wirkungen zu erhellen.

Bislang können Personen und Institutionen in der Kirche Mittel in Gestalt von Gehalt oder Sachkostenfinanzierung erhalten, die den jeweiligen Entscheidungsinstanzen glaubhaft machen können, daß künftige Tätigkeiten dieser Person oder Institution sinnvoll, ertragreich und vielleicht sogar mittelerbringend sein werden. Der bürokratische Prüfungs- und der synodale Überzeugungsaufwand zu Beginn ist erheblich. Aber wer einmal diese Schwelle hinter sich gebracht hat, konnte und kann immer noch mit einer relativ sorgenfreien Finanzierung rechnen. Ob sich die verheißenen Wirkungen durch die Arbeit einer Person oder Institution auch einstellen, dies wird mangels zureichender Verfahren nicht weiter überprüft. Das Gehalt wird weiter gezahlt, die Arbeit der Institution weiter finanziert, auch wenn sie ihre Versprechungen nicht einlöst. Was getan wird, kann man zumeist noch ermitteln. Was es bewirkt, bleibt oftmals im Dunkeln.

Die wirtschaftliche Verantwortung der handelnden Personen oder Institutionen der Kirche muß gestärkt werden. Die Wirkungen von Tätigkeiten müssen die finanzielle Ausstattung von Tätigkeiten mitbestimmen. Die Gestalt (d.h. die Qualität, die Wirkung, der Erfolg) meines Handeln muß sich auf die mir zur Verfügung stehenden Mittel und auf meine Entlohnung direkt und kurzfristig auswirken. Man mag dies das Leistungsprinzip nennen oder den Sieg wirtschaftlicher Kriterien in der Kirche: nur so werden die knappen Mittel im Sinne des Ganzen denen zur Verfügung gestellt, die im Sinne des Auftrags der Kirche am meisten damit bewirken und denen entzogen, die wenig beitragen oder sogar dem Ganzen schaden. Es wird sehr schwierig sein, diese Prinzipien umzusetzen. Aber es ist nicht unmöglich.

2. Die Veränderung der Rolle der Institution von der Durchführung hin zur Ermöglichung

Das Denken in der ELKiB ist bislang institutionenbezogen. Es gibt zwar den Bereich der freien Initiativen, der Vereine und Verbände, aber deren Anlehnungsbedürfnis an die Kirche in Zeiten knapper Mittel ist verständlicherweise hoch. Wenn alles von der Institution Kirche erwartet wird, kann immer weniger geschehen, wenn diese Institution finanziell notleidend wird. Und wenn immer weniger geschieht, werden sich die Einnahmen weiter vermindern ...

Eine finanzarme, aber ideenreiche und imagestarke Kirche hat andere Möglichkeiten, die "Kommunikation des Evangeliums" zu unterstützen. Ihre Sorge wird nicht darin bestehen, daß durch sie etwas getan wird, sondern daß durch sie Tätigkeiten angeregt werden. Vereinsgründungen waren die Antwort des 19. Jahrhunderts. Wo diese Idee noch vital ist, sollte sie als Teil einer Kirchenstrategie bewußt und nicht nur notgedrungen gepflegt werden.

Inzwischen gibt es auch noch andere Möglichkeiten als die des Vereins. Die Kirche hat im Laufe ihrer Geschichte sich vielfältiger Organisationsformen bedient. Wo steht geschrieben, daß es außer der flächendeckenden Großorganisation nach dem staatlichen Modell und dem Verein nicht noch andere Formen geben darf. Im wirtschaftlichen Bereich gibt es Modelle, wie eine große Idee zusammen mit einer guten Unterstützung ihren Weg auch ohne riesiges Eigenkapital gehen kann. Handelsketten und Restaurants verdanken z.B. dem Franchising-Modell ihr rasantes Wachstum. Der Lizenzgeber hütet und entwickelt die Idee, schützt und pflegt die Marke, unterstützt die lokalen Betriebe mit know-how und dem Einkauf. Der Lizenznehmer bringt sein Engagement in Gestalt von Kapital, Ortskenntnis und Personalführung ein und kann mit relativ geringem Aufwand auch für sich große Erfolge erzielen. Wem vor solchen Vergleichen schaudert, der möge die Geschichte der Ausbreitung der Klöster im Mittelalter studieren, um zu erkennen, daß die Grundidee nicht schon deswegen abzulehnen ist, weil heute McDonalds so arbeitet. Das kann nur ein Beispiel sein, wie nötig es ist, historisch genau und gesellschaftlich wach nach Alternativen zur gegenwärtigen Gestalt der Volkskirche zu suchen, um die gegenwärtige und wohl fortdauernde Kapitalarmut nicht zum Nadelöhr für die Ausbreitung des Evangeliums zu machen. Das wäre nun wirklich ein Leistungssprung der Institution Kirche, wenn sie ihre noch vorhandene Finanzkraft und ihr Vertrauenspotential unterstützend Personen und Institutionen zur Verfügung stellen würde, damit diese erfolgreich sein können.

Ein hoher Anteil der Kosten kirchlicher Haushalte wird für die Entlohnung von Mitarbeitenden verwendet. Ökonomische Zwänge und menschliche Schicksale bündeln sich hier in besonderer Weise gerade beim Arbeitgeber Kirche. Dennoch ist auch hier zunächst einmal ein nüchterner Blick nötig.

Der verläßliche Teil kirchlicher Einnahmen aus Steuern und vertraglich gesicherten Leistungen wird aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich sinken. Beamtenrechtlich gestaltete Dienstverhältnisse umfassen Verpflichtungen der anstellenden Institution über dreißig (unter Einbezug des Ruhestandes bis fünfzig) Jahre. Sinkende Einnahmen in Verbindung mit (beamten-) rechtlich fixierten lebenslangen Personal-Ausgaben in Höhe von A 13 / A14 müssen kirchliche Haushalte zwangsläufig in permanente Krisen führen. Mögen sie mit Ach und Krach unter immensem Aufwand jährlich auch irgendwie noch ausgleichbar sein: verläßlich mit einigermaßem vertretbaren inneren Aufwand kann nur eine kleinere Zahl als heute beamtenrechtlich angestellt werden. Das Entlohnungssystem der Institution Kirche muß ihrem Finanzierungssystem entsprechen, sonst droht Zahlungsunfähigkeit oder eine Kombination von totalem Einstellungsstop mit betriebsbedingten Kündigungen.

Im Interesse einer breiten Anstellungspraxis muß es Arbeitsbeziehungen jenseits des Beamtenrechts geben, die auf die Risikobereitschaft vorhandener oder künftiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen. Diese Risikobeteiligung wird die finanziellen Engpässe der Kirche erträglicher gestalten. Konstruktiv wird sie sich aber dann auswirken, wenn sie Kreativität und Engagement freisetzt. Das kann sich durchaus auch in der Gehaltshöhe auswirken. Es kann aber auch eine erfolgreiche Arbeit ermöglichen, die unter den Bedingungen einer flächendeckenden Großinstitution einfach nicht realisierbar ist.

Kirche wird nicht eine große Zahl von beamtenrechtlich besoldeten Mitarbeitenden anstellen können, deren Finanzierung sie pausenlos in Atem hält, so daß sie außer Besoldungsfragen kaum mehr andere Themen kennt, und dies in der Hoffnung tun, daß sich diese Politik auch finanziell irgendwann lohnen wird. Wenn aber Menschen als Mitglieder gewonnen und gehalten werden, wenn Menschen bereit sind, Angebote der Kirche finanziell zu unterstützen, dann kann sich auch die Bezahlung erhöhen und die Mitarbeiterzahl vermehren. An einer wirkungsbezogenen Besoldung wird wohl kein Weg vorbeigehen. Wenn Ursache und Wirkung weiter so weit auseinander bleiben, wie sie es heute sind, fehlt einfach ein wesentliches Element der Selbst- und Fremdsteuerung in der Kirche.

Mit diesen Überlegungen ist aber das Problem der Arbeitsplätze noch nicht gelöst. Um allen, die bereit und in der Lage sind, mit ihren Gaben und Begabungen an der Kommunikation des Evangeliums mitzuwirken, unter den finanziellen Engpässen der Volkskirchen heute eine Möglichkeit zu geben, damit auch ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, scheint in Anwendung der beiden Prinzipien von oben die Entwicklung von drei Typen von Mitarbeitsverhältnissen erfolgversprechend:

Kirche braucht eine Kernmitarbeiterschaft mit enger und fester, gegenseitig ausschließlicher (beamtenähnlicher) Anstellung. Für diesen Bereich gilt das Argument der vergleichbaren Anstellungsbedingungen zu anderen Arbeitgebern unbedingt. Auch in diesem festen Bereich sind wirkungsbezogene Einflüsse auf die Besoldungshöhe nötig. Ein aufgabenunabhängiger Grundsockel mit einer deutlichen sozialen Komponente in Bezug auf die Kinderzahl könnte ergänzt werden durch aufgaben- bzw. leistungsbezogene Zulagen. Größere Aufgaben, erkennbare Leistungen führen dann zu einer Erhöhung der Besoldung. Durch diesen festen Stamm wird die Grundversorgung der Gemeindeglieder gewährleistet und die Steuerungs- und Handlungsfähigkeit für das Ganze gesichert. Er wird nicht mehr so groß sein können wie bisher. Die Anforderungen an ihn werden hoch sein.

Freie Mitarbeit verbindet die Kreativität der Einzelnen mit den Grundlagen der Gesamtkirche in offen gestalteten Arbeitsbeziehungen. Warum sollen eigentlich nicht übernommene Theologinnen und Theologen ausbildungsfremd ihren Lebensunterhalt verdienen? Wenn die Landeskirche die Grundlage bieten könnte, vielleicht eine Starthilfe aus einem Topf kirchlichen "Risikokapitals" leistete und eine gute Beratung böte .....vielleicht gelänge es dann einer zunehmenden Zahl von Theologinnen und Theologen wirklich neue Bereiche zu erschließen, von denen sie leben und die Kirche profitieren könnte?

Halbe Stellen könnten als Startbasis auf diesem Weg in die pastorale Selbständigkeit dienen. Im Pfarrdienst bzw. in der Ausbildung zur Pfarrerin, zum Pfarrer erworbene Fähigkeiten können ihren Mann oder ihre Frau ernähren - oder doch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Es sind noch nicht alle Möglichkeiten erschlossen, mit der Theologie auf dem "freien Markt" den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Personalbereich, bei der Beratung, in den Medien haben es einige geschafft. Ob es nur so wenige bleiben müssen, ist noch nicht ausgemacht. Bei einem wirtschaftlichen Erfolg kann die "Lizenzgeberin" Kirche sogar prozentual mitbeteiligt werden. (Am Rande: Warum sollen erfolgreiche Pfarrer wie Jürgen Fliege nicht 10% ihres Umsatzes an ihre Heimatkirche abführen, nachdem sie ihren Erfolg auch ihrem kirchlichen Hintergrund verdanken?)

Gemeindegliedern könnte vermittelt werden, daß die "Grundfunktionen" ihrer Kirchenbeziehung nach wie vor gut zugänglich, verständnisvoll und durch ihre Steuer oder ihren Kirchenbeitrag finanziert sind, daß  aber besondere Angebote einen erhöhten Eigenbeitrag erfordern. Die neuen Arbeitszeitmodelle wie Sabbatjahr und Senior-Junior- Modell können feste und freie Arbeitsverhältnisse produktiv verbinden.

In einem solchen wagemutigen und selbstverantworteten Handeln besteht wohl die einzige Chance, neue und andere Arbeitsplätze im Bereich der Kommunikation des Evangeliums zu schaffen. Das Risiko ist nicht gering. Manche werden es notgedrungen übernehmen müssen. Andere werden es suchen. Aber zu diesem Risiko zu ermuntern und es zu begleiten, könnte eine Wahrnehmung der Fürsorgepflicht der Institution gegenüber ihrem Nachwuchs sein.

Um soziale Notlagen zu vermeiden und gleichzeitig erworbene Kompetenzen im Raum von Kirche und Gemeinde zu halten, sind lokale oder regionale Initiativen, bei denen wenigstens existenzsichernde Beträge gezahlt werden, eine denkbare Möglichkeit. Die verfaßte Kirche kann dabei keine langfristigen Verpflichtungen in fester Höhe eingehen. Hier ist der Raum für kreative Solidarität, für freie Anstellungsträger mit frei verhandelten Gegenleistungen auch nichtmonetärer Art (Wohnung, Kinderbetreuung...). Die gezahlten Gehälter werden unter denen in festen Anstellungsverhältnissen liegen müssen. Auch wenn Beschäftigungsgesellschaften mißbrauchsanfällig sind, und zuweilen recht einfache Instrumente der Lohnkostensenkung darstellen, so ist doch die Idee als solche auch für die Lösung kirchlicher Beschäftigungsprobleme brauchbar.

Zwischen den drei Beschäftigungsformen kann und muß es einen Austausch geben, der sich entweder leistungsgesteuert oder aufgrund der persönlichen Bedürfnisse entwickelt.

Wer die Entwicklung des Arbeitsmarktes aufmerksam verfolgt, wird unschwer die Strukturparallelen und Strategieähnlichkeiten entdecken. Natürlich läßt sich die Trias von Stamm, freier Mitarbeit und Beschäftigungsgesellschaft auch anderswo finden. Aber wäre es nicht einmal den Versuch wert, die drohende Trias von starrem Beamtenrecht, berufsfremder Tätigkeit oder Arbeitslosigkeit abzuwenden? Ansätze dazu gibt es ja. Sie könnten auch dazu dienen, diese grobe Skizze mit ihren vielen offenen Fragen weiter auszuziehen.

Der Kirche Jesu ist nicht verheißen, daß sie wächst, wenn sie alles richtig macht. Wachstum ist die Wirkung des Geistes. Deshalb gehört die Bitte um diesen Geist zur Planungsarbeit in der Kirche unabdingbar dazu. Erfolg und Mißerfolg erfahren aus dieser Sicht noch eine andere Bewertung. Das könnte befreien, wagemutig der Zukunft zu begegnen.

Copyright:

Dr. Herbert Lindner, Birkenstr.42  90537 Feucht Tel (09128) 92 05 62 Fax (09128) 92 05 63

 

 

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